Buchcover Jahrbuch
Mein Beitrag zur Ortsgeschichte
Veröffentlicht im "Jahrbuch 2000 Altländer Archiv". Eine Publikation der Gemeinde Jork.
ISSN 0947-427
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Unser Haus an der Este

Vergangenheit und Gegenwart wieder im Einklang.

Unser HausHaustür
Copyright Fred Lang

Unser Haus auf dem Estedeich im Ortskern von Jork-Estebrügge ist Teil eines unter Denkmalschutz stehenden Ensembles alter Häuser, der so genannten Bürgerei.
Es handelt sich um die ehemalige Bäckerei Wriede, deren letzter Besitzer sie aus Altersgründen im Jahre 1977 an seinen Nachfolger aus Buxtehude verkaufte. Von ihm haben meine Frau und ich zwei Jahre später das Haus erworben, nachdem zuvor die Bäckerei eingestellt worden war.
Mit seiner detailreichen Giebelfront aus rotem Ziegelmauerwerk, noch originalen Sprossenfenstern, die in den hier üblichen Farben grün und weiß gestrichen sind, ist es sicher ortsbildprägend und eines der schönsten Häuser von Estebrügge.
Im Oberlicht der gleichfalls unter Denkmalschutz stehenden Eingangstür steht der Name "Wriede" in Verbindung mit einer Krone und einer Brezel.
Das Haus besitzt ein Mansarddach und ermöglicht so ein zusätzliches, vollwertiges Stockwerk mit leicht schrägen Seitenwänden, und mit nur geringfügig verminderter Grundfläche gegenüber dem Erdgeschoss. Diese preiswerte und auch praktische Bauweise ist nach der neuen Gestaltungssatzung seltsamerweise nicht mehr erlaubt, obwohl viele alte Häuser in Jork und Umgebung diese Dachform noch aufweisen. Die Seitenwände und der rückwärtige Giebel sind in ortsüblicher Fachwerkbauweise ausgeführt.
Ein unmittelbar an das Haupthaus grenzender Anbau zur Este hin diente über viele Jahre zur Lagerung von Torf als Brennmaterial für den Backofen. Auch er besitzt ein Mansarddach und wirkt dadurch wie eine verkleinerte Kopie des Haupthauses. Insgesamt ergeben sich ca. 400 m² Wohn- und Nutzfläche; von den beiden nicht ausgebauten Dachböden einmal abgesehen. Hinzu kommt ein kleiner Garten, der durch seine Lage direkt am Fluß eine besondere Atmosphäre besitzt. Bauzeichnungen oder Baupläne liegen leider nicht mehr vor. Es gibt nur noch eine handgefertigte alte Flurkarte bzw. einen Kartenauszug aus den Jahren 1909/1884.
Die klassizistische, zweiflügelige Haustür wird dem 18. Jahrhundert zugeordnet, das zugehörige Oberlicht dem Jahre 1818. Das Haus steht aber schon viel länger auf dem Deich und hatte früher vermutlich auch zur Straße hin einen Fachwerkgiebel. Bedingt durch seine Ausrichtung nach Westen, und dadurch ungünstigen Witterungseinflüssen extrem ausgesetzt, hat man wohl später diese Bauweise aufgegeben.
Mit dem Erwerb des Hauses im Jahre 1979 kamen aber auch viele Probleme und unvorhergesehene Schwierigkeiten auf die neuen Besitzer zu. In Bezug auf die dringend erforderliche Renovierung waren wir damals auch noch sehr unerfahren.
Alles fing damit an, dass das zuständige Finanzamt eine erhebliche Steuerzahlung forderte, da es nicht von dem Kauf eines Wohngebäudes ausging, sondern von einem damit verbundenen Gewerbebetrieb. Erst nach nervenaufreibenden Tagen und einem aufwendigen Schriftverkehr blieb uns eine Zwangspfändung erspart.
Beinahe jeden Tag gab es nun böse Überraschungen für uns. Zum Beispiel waren Teile des Balkenwerks wurmstichig oder verrottet, da in den vergangenen Jahren so gut wie nichts zur Werterhaltung unternommen worden war. Die durch hohe Wasserstände der Este durchfeuchteten Wände, vor allem die Fundamente, konnten nie richtig austrocknen. Hinzu kamen Wasserschäden, die von einem undichten Dach aus früheren Jahren herrührten und nie beseitigt wurden. Die häufig feuchtwarme Luft der Bäckerei schuf außerdem ideale Bedingungen für eine üppige Vermehrung der verschiedensten Schädlinge. Hausschwamm hatte sich allerdings noch nicht ausgebreitet, dafür aber eine unglaubliche Menge von Kakerlaken, die wir noch nach Jahren gelegentlich in irgendwelchen Winkeln und Ritzen entdeckten! Alles war ungepflegt und teilweise in einem jammervollen Zustand. Vieles war einfach mit Farbe zugeschmiert worden nach dem Motto: "Außen hui, innen pfui!"
Außerdem hatte der Vorbesitzer damit begonnen, teilweise die Fenster - auch zur Straße hin! - durch Glasbausteine zu ersetzen und einige Innenwände im Verlauf einer wahren Verkleidungsorgie mit Rigipsplatten zu "verschönern". Zum Beispiel entdeckten wir hinter einer solchen Platte eine originale Alkovenwand im Empirestil: mit kleinen Fenstern und einer zum Teil verglasten, zweiflügeligen Innentür, sowie einer zusätzlichen Schranktür! Leider hatte man die überstehenden Verzierungen einfach abgesägt, um so die Rigipswand besser anbringen zu können. Im Altonaer Museum in Hamburg befindet sich übrigens eine zweite Tür!
Natürlich hatten wir vor dem Hauskauf das relativ positiv verfasste Gutachten eines dieser üblichen Sachverständigen gelesen. Es war aber auch klar, dass ein gehöriges Stück Arbeit, vor allem auch Ausdauer von uns verlangt werden würden. Ein günstiger Kaufpreis und die Ahnung, dass sich die Mühe lohnen würde, gaben dann endgültig den Ausschlag zum Kauf. Es galt, den in Resten immer noch vorhandenen Charme dieses Hauses und seine ureigene Atmosphäre möglichst bald, aber auch sehr behutsam im wahrsten Sinn des Wortes wieder zu beleben!
In dieser ersten Zeit waren wir allerdings oft verzweifelt und mutlos. Wir hatten das Gefühl, uns mit dem Kauf des Hauses übernommen zu haben. Es erschien uns als eine zu große Aufgabe. Hin und wieder wurde sogar schon davon gesprochen, alles aufzugeben. Unsere finanziellen Mittel waren erschöpft, und über die doch jetzt so dringend nötigen überdurchschnittlich großen handwerklichen Fähigkeiten verfügten wir beide auch nicht. 
Eine alte chinesische Weisheit lautet aber: 
"Auch ein großes Werk beginnt immer mit dem ersten Schritt!"
Diese Erkenntnis half uns über die kritische Zeit hinweg und hat sich seither fest eingeprägt, weil sie in unserer Situation den Schlüssel zum Erfolg lieferte.
Wir konnten, vor allem aus finanziellen Gründen, nur langsam vorgehen und merkten bald, dass dieser anfängliche Nachteil sich im Laufe der Zeit in einen großen Vorteil verwandelte. Durch eine in solchen Fällen leider oft übliche, mehr oder weniger radikale, sogenannte "Entkernung" hätten wir unserem Haus seinen ureigenen Charakter genommen und es wäre nur noch eine schöne Fassade übrig geblieben!
So wurde zum Beispiel die durch das frühere Gewerbe bestimmte Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsbereich beibehalten. Die ehemalige Backstube wird heute nach ihrer Renovierung - der unschöne moderne Dampfbackofen wurde abgerissen - als Atelier und Hausarbeitsraum genutzt. Ein uriger alter Kaminofen aus einer Schiffswerft sorgt seitdem für wohlige Wärme. Vor allem, wenn an dem langen Holztisch unsere Gäste es sich so richtig gemütlich machen wollen.
Auch die ehemalige kleine Küche im Souterrain wurde wieder zu einem Mittelpunkt des häuslichen Lebens hergerichtet. Ein alter, aber noch funktionstüchtiger eiserner Herd mit drei Kochstellen fand hier wieder seinen angestammten Platz. Der praktische und originale Fußboden aus Terrazzo-Fliesen, mit Holz verkleidete Wände und alte Deckenbalken schaffen als unverzichtbare Zutaten eine gemütliche Atmosphäre. Zwei kleine Sprossenfenster lassen allerdings nicht allzu viel an Tageslicht herein. Inzwischen haben wir aber aus rein praktischen Gründen die ehemalige Backstube als Wohnküche eingerichtet.
Auch Außenarbeiten gab und gibt es in Hülle und Fülle. Da mussten zum Beispiel fast alle Fenster neu gekittet und gestrichen, die Türen und Wände saniert und das Fachwerk ausgebessert werden. Und die Arbeit hört niemals auf! Sie hat sich aber - so denke ich - für uns gelohnt und sie wird hoffentlich auch künftig in unserem Sinne von späteren Generationen weiter fortgesetzt werden.
Hierbei soll immer auch ein anderer schöner Spruch gelten, der für das alte Haus wie auf den Leib geschneidert passt, und den ich erst im Laufe der Zeit so richtig verstanden habe: "En beten schev hat Gott lev!"

Fred Lang

Hier noch ein Spruch am Giebel eines 1712 erbauten wunderschönen Fachwerkhauses in unserer Nachbarschaft:

"Mit Achtsamkeit für diese Welt bewahre stets was sie erhält"

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